240 - 242-245

Druckversion

Autor: A. Lueger

Volvo 240 Turbo, Gruppe A - Tourenwagen

Mit der Produktionseinstellung im Jahre 1993 ist jene Serie aus den Neuwagenhallen der Händler verschwunden, die sicher am nachhaltigsten das Bild von Volvo als Hersteller sicherer und zuverlässiger Familienfahrzeuge bei den Kunden hinterlassen hat: die 240er Serie.

Weit weniger bekannt ist jedoch, das Volvo mit dem 240 Turbo ein echtes Kampfschwein für den Motorsport entwickelt hatte, mit dem im Jahre 1985 sogar die europäische Tourenwagenmeisterschaft für Fahrer gewonnen werden konnte, und das im Match mit Fahrzeugen der Gruppe A wie Alfa Romeo GTV/6, BMW 635 CSI, Rover 3500 und Ford Sierra XR/4 Cosworth.

Der Titelgewinn erfolgte allerdings nicht durch ein eigenes Werksteam, sondern durch das Privatteam des Schweizers Rudi Eggenberger der zwei 240 Turbo's einsetzte. Gianfranco Brancatelli (Italien) und Thomas Lindström (Schweden) siegten in Anderstorp, Zeltweg, am Salzburg- und am Nürburgring, erreichten in Spa, Brünn und Vallelunga jeweils einen zweiten Platz, und verwiesen damit einen gewissen Tom Walkinshaw mit seinem TWR- Rover V8 auf den Ehrenplatz.

Als Grundlage für diese erfolgreichen Racer dienten die Basis Homologationsmodelle des 240er Turbos, die in der geforderten Mindestanzahl von 500 Stück bereits im Jahre 1983 in Nordamerika verkauft wurden.

Diese Modelle hatten erstaunlicherweise manuelles Schiebedach (angeblich, die Internetrecherchen erbrachten z.T. widersprüchliche Angaben), überwiegend M46 4 Gang +OD Getriebe bzw. teilweise sogar Automatik und wurden nur in den Farben blau-, silber- und schwarzmetallic ausgeliefert. Der B21 ET Motor mit K- Jetronic, T- Nocke und Garret T03 Turbolader soll 157 PS auf die Kurbelwelle gestemmt haben. Gegenüber den Turbo Standardmodellen sollen diese Modelle weiters mit stärkeren Schraubenfedern (aus der europäischen GT- Serie) sowie einem eigenem Intercooler ausgestattet worden sein.

Die gegenüber diesem "Standardmodell" immer wieder modifizierte und homologierte 240er Evolution Racing Versionen, wie sie auch beim Team Eggenberger eingesetzt wurden, und angeblich aus dem Reimport von ca. 30 Homologationsmodellen aus Amerika entstanden sind, hatten 1985 folgende technische Daten:
 
Motor: B21 ET 4 Zylinder mit 1 OHC Nockenwelle, 8 Ventilkopf 44mm Einlaß- und 35 mm Auslaßgröße, 2141 cm3 Hubraum, bis zu 380 PS (mit von Volvo entwickelter Wassereinspritzung), ca. 400 NM bei 4000 bis 6000 U/min, Garret T04 Turbolader mit Ladeluftkühler der VMS (Volvo Motorsport Division), Bosch Benzineinspritzung, Trockensumpfschmierung, 6 Liter Öl mit extra Ölkühler
 
Getriebe und Kraftübertragung, Lenkung, Bremsen: syncronisiertes 5 Gang Getrag Getriebe, Borg & Beck Einscheiben Trockenkupplung, Hinterachse mit Sperrdifferential von Dana/ Spicer, ölgekühlt mit integriertem Kühler und Ölpumpe, Übersetzungen 1:4,56, 1:3,91 bis 1: 3,15 ergibt bis zu 260 km/h Spitze, Servolenkung, vier innenbelüftete Alu- Lockhead Scheibenbremsen mit 315 mm vorne und 305 mm Durchmesser hinten, Digitalarmaturen und Heckflügel
 
Chassis und techn. Daten: europäische 2- türige Standard "Flat hood" Stahlkarosserie, vorne Einzelrad-wishbone Aufhängung mit Schraubenfedern und Bilstein Gasstoßdämpfern sowie Stabi, hinten Starrachse aus ALU mit Panhardstab und Stabi, Schraubenfedern und Bilstein Gasstoßdämpfern, eingebauter hydraulischer 4 Stempelwagenheber, ALU- Überrollkäfig, Magnesium Felgen mit Zentralverschluß und Pirelli P7 245/45 VR 16 Bereifung, Kampfgewicht ca. 1035 Kilo, 120 Liter Benzintank ALU, 30 Liter Wassertank für Einspritzung, Radstand 2650 mm, Spurweite vorn 1430 mm hinten 1360 mm

Ergänzend ist noch zu erwähnen, das mit den 240er Turbos's 1985 auch die deutsche Tourenwagenmeisterschaft sowie 1986 die australische Meisterschaft und 1987 die thailändische (!) Tourenwagenmeisterschaft gewonnen werden konnte.
Am europäischen Kontinent ist der Einsatz der Turbo's nach einem tatsächlich nachgewiesenem Regelverstoß im Jahre 1986 im Hinblick auf Homologationsbestimmungen durch das Werk selbst, und darauffolgender Strafverifizierung von Ergebnissen zu Ungunsten der Teams in der Tourenwagenmeisterschaft anscheinend nur mehr von geringem Interesse für Volvo selbst.
Auch in räumlicher und zeitlicher Distanz kann heute nicht mehr nachvollzogen werden, warum Volvo sich eigentlich nur offensichtlich halbherzig im Motorsport engagierte, denn mit dem Punch eines echten Werkteams wäre sicher (noch) viel mehr möglich gewesen.

So mußte wieder viel Zeit vergehen bis sich Volvo in den 90ern in der britischen Tourenwagenmeisterschaft zurückmeldete, dann allerdings sehr lautstark und erfolgreich mit den 850er Kombis und unter Führung von Tom Walkinshaw, den man ein knappes Jahrzehnt zuvor in der Europameisterschaft noch niedergebügelt hatte.

Die Fa. Amon in Hafnerbach hatte im übrigen bis Frühsommer 2002 einen optisch und ganz allgemein erfreulichen Gruppe A Turbo mit ausreichend Ersatzteilen im Stand, der dann nach Deutschland (angeblich?) zwecks standesgemäßer Bewegungsabsicht im historischen Motorsport verkauft wurde.