Buckel 444-544

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Die königlichen Tennishallen zu Stockholm erlebten im Sommer 1944 eine rauschende Premiere - Volvo stellte sein nagelneues Modell vor:
Es hieß kurz und bündig PV 444, eine Bezeichnung, die sich aus dem Wort "Personvagn" (Personenwagen) sowie die Zahlen 4 für die Anzahl der Sitzplätze und 44 für das Jahr der Vorstellung ableitete.

Volvo BuckelDer Neuling konnte sich sehen lassen. Helmer Petterson als Leiter des Projekts und sein Team von etwa 20 Ingenieuren hatten ein beachtliches Auto auf die Räder gestellt und dabei geschickt modernste Erkenntnisse des Automobilbaus mit Bewährtem verknüpft. Als Resultat war eine Konstruktion entstanden, die sich modern, aber nicht modisch, und fortschrittlich, aber nicht avantgardistisch gab - eben ein Auto, das sich im Alltag bewährte und über viele Jahre aktuell bleiben sollte.

Bei der Gestaltung seiner Form hatten sich die schwedischen Konstrukteure an amerikanischen Vorbildern orientiert, dafür präsentierte sich die zweitürige PV-Karosserie ohne separaten Chassis-Rahmen, war also selbsttragend ausgelegt. Als Antriebsquelle diente ein 1.4 l Motor (intern B4B genannt), der über hängende Ventile verfügte und seine 40 SAE-PS mittels Dreigang-Getriebes und angetriebener Hinterräder auf die Straße brachte.

Wer vom neuen PV 444 so begeistert war, daß er ihn gleich kaufen wollte, mußte sich in Geduld üben. Obwohl der schwedische Hersteller alle Teile, die er nicht kostengünstiger fertigen konnte, einkaufte, konnte erst 1947 die Serienproduktion anlaufen! So gewaltig waren die kriegsbedingten Schwierigkeiten.

Aber das Warten sollte sich lohnen. Schon diese ersten sogenannten A-Modelle erwiesen sich als vorzügliche Automobile, die durch ihre robuste Zuverlässigkeit und hohe Fahrsicherheit überzeugten. Trotzdem entwickelte Volvo die Baureihe kontinuierlich weiter und sorgte etwa für besseren Rostschutz oder eine ausgereiftere Technik.

Natürlich wurde die Leistung gleich mehrfach im langen Autoleben des PV444 gesteigert. In seiner stärksten Ausführung brachte es der Buckel, wie das Auto wegen seines markanten Hecks längst liebevollspöttisch genannt wurde, auf 72 PS. Allerdings hatte sich zu diesem Zeitpunkt der B4B-Motor zum B16 gemausert, mit Einführung des L- bzw. LS-Modells im Jahr 1957 standen PV-Fahrern jetzt exakt 1580 cm³ Hubraum zur Verfügung. Weit weniger aufregend erscheinen die optischen Modifikationen, die die Firma aus Göteborg ihrem Erfolgsauto - denn dazu war der "Peewee" längst avanciert - angedeihen ließ. Drei verschiedene Kühlergrills, andere Rückleuchten und Blinker und die rasch erfolgte Einführung eines Armaturenbretts mit vor dem Fahrer angeordnetem Kombi-Instrument benennen die wichtigsten Änderungen. In diesem Punkt erwies sich Volvo ausgesprochen konservativ.

Daß man Gutes verbessern kann, bewies Volvo mit dem PV544

Dieses Modell löste 1958 den PV 444 ab - der damit immerhin 11 Jahre in Produktion war - und sorgte zunächst für Verwirrung.
1956 hatte der wunderschöne Amazon mit viertüriger Pontonkarosserie debütiert und selbst Kenner der Szene zu der Annahme veranlaßt, es hier mit dem designierten Nachfolger des Buckels zu tun zu haben.
Irrtum! Optisch wie technisch nur leicht retuschiert, feierte ein überarbeiteter "Peewee" fröhliche Urstände - zur Freude seiner Fans. Woran lag diese Begeisterung, mit der der mittlerweile eher barock wirkende Wagen aufgenommen wurde?
An den größeren Fensterflächen?
Am geräumigeren Innenraum, der jetzt - die neue Bezeichnung verrät's - für fünf Personen ausreichte?
Oder am modischen Bandtacho?
Wahrscheinlich trugen alle diese Dinge zum Erfolg des PV 544 bei. Vor allem war da jener B16B-Motor, der dank der beiden SU-Vergaser 85 PS mobilisierte und dem Sport, denn so hieß dieses Modell, tatsächlich sportwagenmäßige Fahrleistungen bescherte. Von diesem Image-Gewinn profitierte natürlich die gesamte Baureihe - und auch die Ausführungen mit schwächerem Triebwerk wurden aufgewertet.

Volvo Buckel1961 - der PV 544 befand sich nun schon drei Jahre am Markt - kamen dem Buckel zwei Zutaten zugute, die - ein Lob dem Baukasten-System - sich bereits beim Amazon wie beim P 1800 bewährt hatten: die 12 Volt-Anlage und das B18-Triebwerk. Beides erhöhte die Alltagstauglichkeit des Autos beträchtlich, die 12-Volt-Anlage etwa durch das sichere Startverhalten, der neue Motor durch seine höhere Drehzahlfestigkeit. Denn was auf den ersten Blick nach einer bloßen Hubraum-Vergrößerung aussah, erwies sich bei näherem Hinsehen als gründlich überarbeitetes Triebwerk, bei dem jetzt fünf (statt bisher drei) Kurbelwellenlager zum Einsatz kamen. Daraus ergaben sich einmal ruhigerer Motorlauf, zum anderen die bereits angesprochene erhöhte Drehzahlfestigkeit. Dafür litt die Drehfreudigkeit - ein Umstand, den die Sportfahrer bedauerten.

Die Konkurrenzfähigkeit des Buckels bei Sportveranstaltungen wurde dadurch nicht beeinträchtigt, im Gegenteil, ob bei Rundstrecken-Rennen oder Rallyes - der schnelle Schwede war nach wie vor für Top-Plazierungen gut. Allerdings wurde ihm seit Beginn der 60er Jahre das Siegen schwergemacht.

BMW 1800 TI/SA, Alfa Giulia Super oder Lutus Cortina zeigten sich in Sachen Schnelligkeit überlegen; dafür spielte der PV seine überlegene Zuverlässigkeit aus - die durch den fünffach gelagerten Motor weiter zunahm.

Der B18-Buckel befand sich also technisch auf der Höhe der Zeit und wartete jetzt serienmäßig mit Sicherheitsgurten und synchronisiertem Viergang-Getriebe (bis auf das Favorit-Modell) auf. Nur formal vermochte er nicht mehr zu überzeugen - weshalb er 1965 aus dem Programm gestrichen wurde. Als am 20. Oktober der letzte PV 544 vom Band lief ging eine Ära zu Ende.

1944 hatte Volvo den PV 444 vorgestellt und ihn drei Jahre später in Produktion genommen - mit so großem Erfolg, daß die sofortige Einführung eines Kombiwagens nahegelegen hätte. Aber es sollte Jahre dauern, bis es endlich soweit war. Erst im Sommer 1953 debütierte der erste von Volvo komplett gefertigte Serien-Kombi. Kleine Nutzfahrzeuge auf Buckel-Basis gab es freilich schon früher. Mochte der schwedische Konzern zunächst nicht selbst entsprechende Fahrzeuge fertigen, so schuf er doch die Voraussetzungen zu Ihrem Bau. Seit 1949 nämlich entstanden in Göteborg fahrfertige Fahrgestelle, die der Kunde erwerben und dann von einem Karosseriebetrieb mit dem Aufbau seiner Wahl versehen lassen konnte. So entstanden etwa Kastenwagen und Pickups, aber auch wunderhübsche Cabrios.

Warum Volvo nicht sofort die Konstruktion eines Kombis in Angriff nahm, läßt sich heute kaum noch ermitteln; vermutlich zweifelten die Verantwortlichen daran, ein solches Fahrzeug in rentablen Stückzahlen verkaufen zu können. Ganz wollte man sich diese Tür aber nicht zuschlagen, weshalb man eben ein separates Fahrgestell samt neuer Hinterachse (mit Blatt- statt Schraubenfedern) entwickelte. Diese Prozedur muß mit beträchtlichen Mühen verbunden gewesen sein (die Buckel-Limousine war selbsttragend ausgelegt), sollte sich aber auszahlen.

Volvo DuettAls die Nachfrage nach den kleinen, spezialgebauten Nutzfahrzeugen sprunghat stieg, wurde die Firma in Göteborg aktiv und lancierte im Sommer 1953 den offiziell PV 445 genannten Buckel-Kombi. Ein gelungener Wurf! Sogar der kritische Assar Gabrielsson, einer der beiden Volvo-Gründer, zeigte sich angetan, fand aber die offizielle Typenbezeichnung zu nüchtern. Also suchte man nach einem griffigen Namen - und kam, dank tatkräftiger Mithilfe von Sven Sundberg, schließlich auf "Duett". Womit man deutlich machte, daß der Käufer zwei Autos in einem, nämlich Nutzfahrzeug und elegante Familienkutsche, erwarb.

Das sollte sich als geschickter Schachzug erweisen, der Volvo neue Käuferschichten erschloß. Die Firma trug dieser Entwicklung Rechnung und lieferte den Duett in einer Reihe verschiedener Versionen: verglast oder unverglast, als Personenwagen oder mit LKW-Zulassung; der im Mai 1956 vorgestellte, sehr elegante PV 445 in US-Ausführung blieb leider dem amerikanischen Markt vorbehalten. Dafür konnte der europäische Kunde "sein" Auto ganz individuell mit schicker Zweifarben-Lackierung, Weißwandreifen und anderen "Goodies" verschönern.

In seiner technischen Konzeption entsprach der Duett - bis auf die erwähnten Änderungen - der Buckel-Limousine. Alle wesentlichen Modifikationen, die an ihr vorgenommen wurden, kamen auch dem Kombi zugute, wie etwa 1957 die Einführung des neuen B16-Motors, der den alten B4B ablöste. Vom neuen Vierzylinder profitierten beide Modelle gleichzeitig, bei anderen Dingen bevorzugte Volvo die Limousine.

Als die sich 1958 mit neuem Armaturenbrett und einteiliger Frontscheibe (neben anderen Merkmalen) zum PV 544 entwickelte, sprangen für den Duett nur leichte Retuschen an Front und Heck heraus. Dafür wurde der Kühlergrill vereinheitlicht. Hatte der Duett bis 1956 noch ein Ziergitter mit fünf Streben -die Limousine begnügte sich mit vier - so gab es zwischen beiden Modellen ab diesem Zeitpunkt (ab 1956 also) hier keine Unterschiede mehr. Im Juli 1960 wurde aus dem PV 445 der P 210, der nun mit einteiliger Windschutzscheibe, dem Bandtacho des PV 544 und endlich einem Viergang-Getriebe aufwartete, während knapp zwei Jahre später der fünffach gelagerte B18A-Motor im Duett zum Zuge kam. In dieser Form blieb der Wagen bis 1969 in Produktion, dann kam das Aus.